Billig, 2012

Le Corbusiers Schlümpfe. Oder warum «einfach» und «billig» nicht dasselbe sind.

Meine Eltern haben mir, so sehr ich sie mir auch wünschte, nie eine Barbie geschenkt. Sie fanden sie  primitiv, zu künstlich und erzieherisch ganz und gar nicht wertvoll. 
Sie sind auch keine Comicfans. In der Ferienwohnung heizten sie mit den Mickey Mouse Heften der vorherigen Gäste den Holzofen ein (flenn!). Dafür hatten wir (sniff!) andere schöne Spielsachen, holzige, aber nicht nur. Und es ist wirklich so, dass im vertieften Spiel in unserer Vorstellungskraft der Tannzapfen mal ein Mannsgoggeli war und im nächsten Moment ein Auto oder gar ein Raumschiff. 
Dass ein flaches weisses Holzklötzchen gleich Idefix ist, ist wohl die heiterste Erkenntnis der diesjährigen Werkschau der gestalterischen Abschlussarbeiten. Das Thema «Billig» hat  Joel Stüdle zu einer Kollektion farbig gestreifter Holzklötzen inspiriert, die im ersten Moment vollkommen abstrakt wirken. Seine Broschüre verrät jedoch, dass die Klötze stark vereinfachte Interpretationen bekannter Comicfiguren sind: Die Simpsons. Die Schlümpfe. Asterix, Obelix & Idefix… Donald mit seinen 3 Neffen Tick, Trick und Track, die  auch in der rechtwinkligen Version schwer zu unterscheiden sind. Dafür ist Obelix unverwechselbar, auch wenn seine blau-weiss gestreifte Hose auf einen einzigen blau-weissen Block reduziert wurde! Der Autor nennt seine Objekte «billige Imitationen unserer Lieblinge».  Das Reizvolle ist: Genau so gut lässt sich die Arbeit auch umgekehrt lesen – statt den massenproduzierten Plastikfiguren werden uns handbemalte Holzwaren offeriert. Edel statt billig. Abstrakt statt figurativ. Intellektuell statt populär: Hätte Le Corbusier «Schlümpfe» entworfen, sie würden genau so aussehen!
Das Thema «Billig» hat die Leute in ganz unterschiedliche Bereiche gelotst. Für Andrea Möhl war es ein Anlass, sich Menschen anzunähern, die mit minimalen finanziellen Mitteln leben. Und es war mitunter eine Gelegenheit, sich im grafisch-typografischen Gebiet, welches die Autorin zukünftig anpeilen wird, zu vertiefen. Entgegen einem billigen Voyeurismus ging Andrea Möhl ernsthaft und doch unbeschwert auf die teils stadtbekannte Figuren aus der Berner Autonomenszene zu, unterhielt sich mit ihnen und verdichtete Erlebtes, Erfahrenes, Bilder und Gespräche in fünf Zeitungsporträts.
Wir zeigen ausserdem viele andere gestalterische Projekte, die uns dieses Jahr überrascht oder überzeugt haben. Einige AbsolventInnen werden Erfahrenes und Gelerntes an einer gestalterischen Fachhochschule weiter entwickeln, andere werden im Berufsleben neue Wege beschreiten. Wohin es auch alle verschlägt: Wir wünschen bei den künftigen Abenteuern viel Glück! 

Sibylla Walpen